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«Der Einkäufer ist sicher nicht zu beneiden»

«Der Einkäufer ist sicher nicht zu beneiden»
Jürg Wermuth ist bei Sanfrut für den Bereich Commodities wie Mandeln, Haselnüsse, Baumnüsse und Cashew zuständig.
Bild: Sanfrut

Noch nicht lange ists her, da waren für viele Unternehmen die Beschaffungsmärkte auf das Inland und das nahe Europa beschränkt. Heute kann dank der Globalisierung jedes Unternehmen weltweit beschaffen. Wir haben uns mit Jürg Wermuth von Sanfrut unterhalten.

Herr Wermuth, wozu braucht es heute noch Zwischenhändler, wo doch jedes Unternehmen problemlos weltweit beschaffen kann?


Wermuth: Die Frage ist berechtigt. Gegenfrage: Wie viel Zeit haben Sie, um sich meine Antworten anzuhören? Spass beiseite. Tatsächlich haben viele Unternehmen ihre Beschaffungsaktivitäten erfolgreich ausgeweitet und werden dabei bleiben. Allerdings gibt es auch viele Kunden, die sich bewusst gegen eine Beschaffung im Ursprungsland entschieden haben.
 

Warum denn das? Was sind die Faktoren, die gegen eine direkte Beschaffung sprechen?


Wermuth: Ein wichtiger Punkt ist sicher der, dass der Kunde sich fragen muss, ob die Beschaffung eines bestimmten Artikels im Herkunftsland wirklich zu den strategischen Prioritäten zählt. Die Beschaffung im Ursprung ist sehr ressourcenintensiv, und sie verlangt ausgeprägte Produktekenntnisse. Und auch die Sprachbarriere ist nicht zu unterschätzen: Nur weil zwei Menschen sich zusammen auf Englisch unterhalten können, so heisst das noch lange nicht, dass sie auch die gleiche Sprache sprechen. Ein weiterer, gerne unterschätzter Punkt ist sicher auch die Gewährleistung. Bei einer Qualitätsabweichung muss eine Kunde, der im Herkunftsland einkauft, seine Ansprüche dort anmelden. Das kann ins Auge gehen, wenn man nicht mit den entsprechenden Gepflogenheiten und dem nötigen rechtlichen Rüstzeug ins Feld zieht ... Es gäbe noch viele weitere Faktoren. Einen vielleicht noch: Die Incoterms sind heute den meisten KV-Absolventen vertraut. Aber was ist zu tun, wenn ein Produkt, das auf Basis des FOB Ursprungshafen gekauft wurde, auf der Reise beschädigt wurde, wer kommt für den Schaden auf? Oder schlimmer noch: Wussten Sie, dass Sie als Inhaber einer transportierten Ware im Schadenfall sogar selber zahlungspflichtig sein können, auch wenn Ihrer Ware gar nichts passiert ist? Ich könnte Ihnen noch viele Fallstricke und Herausforderungen aufzählen. In vielen Fällen spürt ein Käufer nichts, solange nichts passiert. Wenn aber ein richtiges Problem auftritt, dann kostet das schnell einmal ein Vielfaches dessen, was Händler heute an Marge einnehmen.


Lassen Sie uns nochmal über das Timing sprechen ...


Wermuth: Sie glauben gar nicht, welche Auswirkungen ein gutes Timing hat. Bilderbuchmässig lässt sich das an der Entwicklung des Mandelpreises im letzten Jahr beschreiben. Die Blüte im Februar verlief sehr gut, und die erste offizielle Ernteschätzung verhiess eine Rekordernte. Dadurch gaben die Preise bis in den Juni hinein sehr stark nach, und wir haben allen Kunden geraten, möglichst weitreichende Abschlüsse zu tätigen. Manche Kunden taten das, andere warteten lieber in der Hoffnung auf noch tiefere Preise. Dann kam Anfang Juli die zweite offizielle Schätzung heraus, die eine viel tiefere Ernte erwarten liess. Logisch, dass dann die Preise in den Himmel schossen. Diejenigen Kunden, die damals den Stellenwert eines guten Timings begriffen, konnten dank unserer Beratung massiv Geld sparen.


Dann geht Ihnen die Arbeit nicht nächstens aus.


Wermuth: Man muss das differenziert anschauen. Grosskunden mit eigener Beschaffungsabteilung und dem entsprechenden Know-how werden kaum so schnell wieder im Inland kaufen. Als Händler in diesem Fall nostalgischen Gefühlen anzuhängen und frühere Geschäfte zu bedauern ist nun wirklich keine Vorwärtsstrategie. Andererseits ist heute der Einkauf enorm gefordert, eine immer breitere Palette von Artikeln muss zu laufend komplizierteren Anforderungen beschafft werden. Der Einkäufer ist sicher nicht zu beneiden. Das ist gut für uns, denn hier greifen wir als Nuss- und Trockenfrucht-Spezialisten unseren Kunden unter die Arme und leisten unseren Beitrag als wichtiges Glied in der Wertschöpfungskette.

Herr Wermuth, besten Dank für das Gespräch.