chevron_left
chevron_right
News

Gluten: Was sich seit 120 Jahren verändert hat

Gluten im Weizen: Was sich seit 120 Jahren verändert hat
Immer mehr Menschen erkranken an Zöliakie oder Weizenallergien. Doch moderne Züchtungen beinhalten weniger Eiweiss als Sorten vor 120 Jahren.
Bild: Pixabay

Enthalten moderne Weizensorten eventuell mehr immunreaktives Eiweiss als früher? Eine Studie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit anderen Forschern geht der Frage auf den Grund.

Weizenkörner bestehen zu etwa 70 Prozent aus Stärke. Ihr Eiweissanteil liegt in der Regel bei 10 bis 12 Prozent. Gluten, das sogenannte Klebereiweiss, macht davon mit etwa 75 bis 80 Prozent den Löwenanteil aus. Es handelt sich bei Gluten um ein Stoffgemisch aus verschiedenen Eiweissmolekülen. Diese lassen sich grob in zwei Untergruppen einteilen: die «Gliadine» und die «Glutenine».

«Viele Menschen befürchten, dass moderne Weizenzüchtungen mehr immunreaktives Eiweiss enthalten als früher und dies die Ursache für die gestiegene Erkrankungshäufigkeit ist», sagt Darina Pronin vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie, die im Rahmen ihrer Doktorarbeit massgeblich an der Studie beteiligt war. Hinsichtlich des Glutens stünde insbesondere die Eiweissgruppe der Gliadine im Verdacht, ungewünschte Immunreaktionen hervorzurufen, so die Lebensmittelchemikerin weiter.

60 Weizensorten aus der  Zeit von 1891 bis 2010  


Wie Analysen des Wissenschaftlerteams zeigen, enthalten moderne Weizensorten insgesamt etwas weniger Eiweiss als alte. Der Glutengehalt blieb dagegen über die letzten 120 Jahre konstant, wobei sich die Zusammensetzung des Glutens jedoch leicht veränderte. Während der Anteil der kritisch gesehenen Gliadine um rund 18 Prozent sank, stieg im Verhältnis der Gehalt der Glutenine um etwa 25 Prozent an. Darüber hinaus beobachteten die Forschenden, dass mit einer höheren Niederschlagsmenge im Erntejahr auch ein höherer Glutengehalt der Proben einherging.

«Überraschenderweise hatten Umweltbedingungen wie die Niederschlagsmenge, sogar einen grösseren Einfluss auf die Eiweisszusammensetzung als die züchterischen Veränderungen. Zudem haben wir zumindest auf Eiweissebene keine Hinweise darauf gefunden, dass sich das immunreaktive Potential des Weizens durch die züchterischen Massnahmen verändert hat», erläutert Katharina Scherf, die heute ihre Forschung als Professorin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) fortsetzt. Jedoch seien auch noch nicht alle im Weizen enthaltenen Eiweissarten im Hinblick auf ihre physiologischen Effekte untersucht, gibt Scherf zu bedenken. Es bestünde also noch viel Forschungsbedarf.

Originalpublikation: https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.0c02815