(Dieses ist der zweite Teil dieser Studie, der erste Teil ist in der LT-Ausgabe 07-08/2022 auf den Seiten 30 und 31 zu finden.)
Autoren: D. Guggisberg, S. Skeie, J. Haldemann, Th. Aeschlimann, R. Schmidt, J. Maurer, B. Walther, Agroscope.
Wichtige Hinweise für die Käserei:
Ziegenmilch
Für den Verarbeiter ist es mit gewissen Einschränkungen möglich, die Milchqualität anhand der bekannten Parameter (Keimzahl, Zellzahl und Schalmtest) zu bestimmen. Wichtig scheint die regelmässige Kontrolle und konsequentes Handeln bei Veränderungen. Zusammenfassend empfiehlt sich aus mikrobiologisch-hygienischer und technologischer Sicht, den Richtwert für Ziegenmilch gemäss Tabelle 2 anzustreben.
Tabelle 2: Qualitätsdefinition für Ziegenmilch - Anforderungen bzw. Richtwertempfehlungen
| Ziegenmilch | Bemerkungen |
Keimzahl | < 500’000 Impulse pro ml bzw. < 250’000 Keime pro ml | Keimgehalte über diesem Wert deuten auf mangelnde Hygiene und schlechte Milchkühlung hin. |
Zellzahl | < 1’000’000 Zellen pro ml | Zellen: (Abwehrzellen und Gewebezellen). Hohe Zellzahlen sind auch ohne Infektion möglich. Bei Werten über 1’000’000 Zellen pro ml ist jedoch mit Veränderungen der Milch und der Verkäsbarkeit (Labfähigkeit) zu rechnen. |
Staphylococcus aureus | < 5’000 KbE* pro ml | Zellzahlen sind bei der Ziege nur beschränkt tauglich, um Euterinfektionen zu erkennen und das Auftreten von S. aureus Enterotoxinen in Produkten zu verhindern. Bei Rohmilchkäse sollte der Wert noch deutlich tiefer liegen. |
Gefrierpunkt | ≤ -0.540°C | Falls die Infrarotgeräte nicht für die entspre- chende Milchart kalibriert sind, ist die Gefrier- punktbestimmung nur mit der Kryoskopie möglich. |
*KbE: Koloniebildende Einheiten.
Die Molkenproteine der Ziegenmilch sind hitzelabiler als die von Kuhmilch. Schon bei der normalen Kurzzeitpasteurisation (71.5°C / 15 s) werden Molkeneiweisse denaturiert. Dies kann trotz dem Einsatz von Kalziumchlorid beim Verkäsungsprozess zu höherem Staubanteil im Bruchgefüge führen. Die Phosphataseaktivität ist erhöht, so dass die Produkte auch bei einwandfreier Pasteurisation phosphatase-negativ bleiben. Ziegenmilchverarbeitung und Ziegenkäse sind in der Schweiz nicht so stark standardisiert. Die Produkte sind von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Anders als bei vielen traditionellen Kuhmilchkäsen gibt es kaum Verarbeitungsregeln. Die Rezepturen werden von innovativen, erfahrenen Praktikern erarbeitet und weiterentwickelt.
Schafmilch
Bei der Schafmilch ist es für den Verarbeiter sehr gut möglich, anhand der bekannten Parameter die Milchqualität zu prüfen. Richtwerte für Schafmilch können aus Tabelle 3 entnommen werden. Viele Praktiker wenden hier auch die bekannten Käsereiproben zur Bestimmung der Milchqualität an.
Tabelle 3: Qualitäts-Anforderungen an Schafmilch (Empfehlungen)
| Schafmilch | Bemerkungen |
Keimzahl | < 500’000 Impulse pro ml oder < 250’000 Keime pro ml | Keimzahlen über diesem Wert deuten auf mangelnde Hygiene und schlechte Milchkühlung hin. |
Zellzahl | < 500’000 Zellen pro ml | Kleinerer Verdünnungseffekt als bei Kuhmilch. Bei Werten über 500’000 Zellen/ml muss von einer substanziellen Beimischung von Milch aus entzündeten Eutern ausgegangen werden. |
Gefrierpunkt | ≤ -0.550°C | Falls die Infrarotgeräte nicht für die entsprechende Milchart kalibriert sind, ist die Gefrierpunktbestimmung nur mit der Kryoskopie möglich. |
Bei Schafmilch ist je nach Kulturenzusatz eine langsamere pH-Absenkung zu beobachten als in Kuhmilch. Verantwortlich für den verlangsamten pH-Abfall ist der hohe Gehalt an Pufferungssubstanzen in Schafmilch. Sowohl Mineralsalze (Bsp. Kalzium, Tabelle 1) als auch Kaseine und Molkenproteine sind in Schafmilch in höheren Konzentrationen vorhanden als in Kuhmilch.
Sollen bei der Schafkäse-Herstellung keine längeren Säuerungszeiten in Kauf genommen werden, so muss folgerichtig entweder die Menge bzw. die Art der eingesetzten Kultur und/oder das Temperaturregime angepasst werden, damit die z.T. sehr feste Gallerte noch auf die gewünschte Bruchgrösse zerkleinert werden kann. Zudem empfiehlt sich, insbesondere bei Halbhart- und Hartkäse die Labzeit eher kurz anzusetzen. Zur Verarbeitung von Schafmilch empfiehlt es sich, zur Milch und nach dem Schneiden jeweils ca. 14 % Wasser zuzusetzen. Der erste Wasserzusatz reduziert die starke Labwirkung und begünstigt das Bruchschneiden. Der zweite Wasserzusatz unterbindet eine Übersäuerung und erleichtert das Rühren des Bruchs in der Molke (bei Schafmilch ist das Bruch-Molke-Verhältnis sehr viel höher).
In der Schweiz und umliegenden Ländern wird zum Teil auch Kuh- mit Schaf- oder Ziegenmilch vor dem Käsen gemischt (Käsespezialitäten). Dafür besteht in der Schweiz aber eine Deklarationspflicht (Verordnung des EDI über Lebensmittel tierischer Herkunft, Art. 53).
Wichtige Hinweise für die Kundschaft:
Das Angebot an Käsespezialitäten, insbesondere aus Ziegen- und Schafmilch, nimmt auch in der Schweiz zu. Eine vergleichende Betrachtung der Nährstoffe in den entsprechenden verschiedenen Milcharten bzw. in den daraus resultierenden Käsen kann für die Kundschaft von Interesse sein.
Proteingehalt und Aminosäurezusammensetzung
Wie bereits eingangs erwähnt, ist der Proteingehalt in der Ziegenmilch, im Vergleich zu Kuh- und Schafmilch, tiefer. Hingegen liegt der relative Anteil an essentiellen Aminosäuren etwa gleich hoch wie jener in der Kuhmilch (49% essentielle Aminosäuren für Kuh- und Ziegenmilch). Der Anteil der essentiellen Aminosäuren in der Schafmilch ist mit 43% etwas geringer als in Ziegen- und Kuhmilch.
Fettgehalt und Fettsäuremuster:
Ziegenmilch hat von den drei Milcharten den geringsten Fettgehalt. Ausführliche Vergleiche der Fettsäuremuster wurden bereits früher publiziert (ALP-Science, 538, 2012). Die Fettkügelchen- Membran der Ziegenmilch ist eventuell etwas schwächer, sodass eine unsachgemässe Behandlung der Ziegenmilch rasch zu freiem Fett führt, was wiederum die erhöhten Werte von Capron- und Caprinsäure in Ziegenmilch bzw. im Ziegenkäse erklärt. In der Abbildung 2 sind die für den Menschen essentiellen Fettsäuren (Linol- und alpha-Linolensäure) in Kuh-, Ziegen- und Schafmilch grafisch dargestellt.
Abbildung 2: Vergleich von 3 verschiedenen Milchen betreffend der mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Ziegenmilch (rot), Schafmilch (blau) und Kuhmilch (weiss/schwarz)). Essentielle Fettsäuren (Linol- und alpha-Linolensäure) in Kuh-, Ziegen- und Schafmilch. (Fs: Fettsäure)
Vitamingehalt:
Ziegenmilch enthält etwas mehr Vitamin A aber deutlich weniger Vitamin B12 und Folsäure als Kuh- und Schafmilch (Schweizer Nährwertdatenbank). Kuh- und vor allem Schafmilch sind eine wichtige Quelle für Vitamin B12, welches z.B. nicht natürlicherweise in pflanzenbasierten Drinks vorkommt.
Abbildung 3: Beitrag von 2 dl Kuh-, Ziegen- und Schafmilch zum täglichen Nährstoffbedarf einer Frau (25-50 Jahre)
Mineralstoffgehalt:
Milch von Wiederkäuern wird wegen des hohen Kalziumgehaltes sehr geschätzt. Jod und Selen sind in der Schafmilch in etwas höheren Konzentrationen vorhanden als in Kuh- und Ziegenmilch. In der Abbildung 3 ist der Beitrag von 2 dl Kuh-, Ziegen- und Schafmilch zum täglichen Nährstoffbedarf einer Frau (25-50 Jahre) grafisch dargestellt.
In Zusammenarbeit von Agroscope mit der Norwegischen Universität für Umwelt- und Biowissenschaften läuft momentan bei Agroscope ein grösserer Versuch mit Ziegenmilch. Unsere aktuelle Forschung wird zeigen, welche Zell- und Keimzahlen wir in Zukunft für Ziegenmilch anstreben sollten, um die Käsequalität zu optimieren.